Ein bisschen Normalität in schwierigen Zeiten
„Wir sind sehr dankbar für eure große Unterstützung und für unsere Freundschaft, die in den letzten drei Jahren so intensiv geworden ist“, sagt Anatolij. Der Bürgermeister von Nowa Uschyzja besuchte kürzlich mit einer kleinen Delegation seinen Hersbrucker Amtskollegen Robert Ilg, um einen gebrauchten Linienbus und einen Kleinbus mit Rollstuhlrampe in Empfang zu nehmen. Die Fahrzeuge sollen helfen, den durch den russischen Angriffskrieg schwierig gewordenen Alltag in der westukrainischen Gemeinde ein bisschen besser zu meistern.
„Wir tragen sehr, sehr gerne dazu bei, euch das Leben in dieser schrecklichen Situation etwas leichter zu machen“, sagte Robert Ilg. Ganz Europa habe Respekt vor dem, was die ukrainische Bevölkerung aushält und sei ihr dankbar dafür, dass sie den seit fast drei Jahren andauernden Angriffen von Putins Armee so entschlossen Widerstand leistet. „Wir können nur erahnen, wie groß das Leid bei euch ist“, sagte er.
Hunderte Männer aus der Region um Nowa Uschyzja sind an der Front, 98 von ihnen sind inzwischen gefallen. 33 werden vermisst – für ihre Familien noch quälender als die Gewissheit, dass der Vater, Onkel oder Bruder nicht mehr heimkehren wird. Bürgermeister Anatolij macht sich alle paar Monate auf die gefährlichen 900 Kilometer zu den Schützengräbern im Donbass, um den Soldaten aus seiner Gemeinde Ausrüstungsgegenstände oder Verpflegung zu bringen – und auf dem Heimweg die Gefallenen in den Transporter zu laden. Bei einem seiner letzten Besuche gaben ihm die Kämpfer eine von ihnen unterschriebene ukrainische Flagge, mit der sie sich bei Robert Ilg und den Hersbrucker Bürgern „für die Hilfe und Unterstützung“ bedanken.
Krieg gehört zum Alltag
Auch in Nowa Uschyzja ist der Krieg längst Teil des täglichen Lebens – nicht nur, wenn wieder einmal russische Raketen über den Ort donnern. Deren Flugbahn sei häufig so programmiert, berichteten die vier Ukrainer, dass sie vor dem Einschlag im Zickzack über das Land fliegen, um die Einwohner möglichst vieler Städte und Gemeinde in Angst und Schrecken zu versetzen.
Die Freundschaft zu Hersbruck gibt da ein wenig Hoffnung, die Hilfsgüter sorgen für ein Stück Normalität in all dem Wahnsinn. Der gebrauchte Linienbus etwa soll Kinder und Jugendliche aus den 41 verstreut um Nowa Uschyzja liegenden Ortschaften sicher in eine der weiterführenden Schulen in der Gemeinde bringen. Der Kauf des Fahrzeugs wurde zu 90 Prozent von Engagement Global gefördert, einer im Auftrag der Bundesregierung tätigen und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanzierten Gesellschaft.
Sehr zur Freude von Kämmerer Wolfgang Klebl war auch seine zeitaufwändige Bewerbung beim Programm „Kommunale Partnerschaften für Bevölkerungsschutz und Wiederaufbau in der Ukraine“ der ebenfalls vom BMZ finanzierten Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) erfolgreich – und das gleich doppelt: Neben einem Kleinbus mit Rollstuhlrampe, mit dem bettlägerige oder gehbehinderte Patienten zur medizinischen Behandlung gebracht werden können, erteilte die GIZ auch den Zuschlag für zwei Photovoltaik-Anlagen samt Batteriespeicher.
PV-Anlagen für Kindergarten und Krankenhaus
Deren 96 PV-Module wurden bereits von einer Spedition in die westukrainische Gemeinde gebracht und sollen – sobald sie installiert sind – den Kindergarten und das kommunale Krankenhauses ein Stück weit unabhängig machen von der öffentlichen Energieversorgung, die seit Kriegsbeginn andauernd Ziel russischer Raketen- und Drohnenangriffe ist. Weil der Preis für die PV-Module zuletzt stark sank, kann Hersbruck im Februar sogar noch ein ebenfalls dringend benötigtes Notstromaggregat nach Nowa Uschyzja liefern lassen. Auch hier muss die Stadt nur die Transportkosten übernehmen.
Bei der Übergabe der Fahrzeuge bedankte sich Robert Ilg bei Bauhofleiter Roland Rüll und seiner Mannschaft, Kommandant Armin Steinbauer für die Unterstützung der Feuerwehr Hersbruck („Ihr seid immer da, wenn wir euch brauchen“), dem Stadtrat für den Rückhalt in Sachen Ukrainehilfe, dem Dolmetscher Anton Kasak sowie den Mitarbeitern seiner Verwaltung, die im Vorfeld wieder alles perfekt in die Wege geleitet hatten.
„Wir versprechen euch, dass wir weiter an eurer Seite stehen“, gab Robert Ilg seinem ukrainischen Amtskollegen mit auf den rund 30-stündigen Heimweg. „Sagt uns einfach, was ihr braucht, und wir versuchen euch zu helfen, wo immer es geht.“ Anatolij und seine Landsleute bedankten sich ihrerseits herzlich und luden ihre Hersbrucker Freunde zu einem großem Fest in Nowa Uschyzja ein – sobald in der Ukraine endlich wieder Frieden eingekehrt ist.