Oradour-sur-Glane

Hersbrucker Delegation besucht Oradour-sur-Glane im Mai 2023

Mit großer Gastfreundschaft und Herzlichkeit wurde die Hersbrucker Gruppe um Bürgermeister Robert Ilg empfangen. Oradour ist ein Symbol für die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Entsprechend emotional war der Besuch des Centre de La Memoire.

Das Centre de La Memoire ist gut besucht, viele Menschen schieben sich durch die Ausstellung. Bilder von Soldaten, Hakenkreuzen, von Hitler sind allgegenwärtig. Und dann die Erzählungen in kurzen Abschnitten gehalten, über das, was am 10. Juni 1944 im Ort passiert ist. Verstörende Bilder drängen sich auf. Hier lacht keiner an diesem Nachmittag.
Die Fotos zeigen, wie verbrannte Leichen auf Schubkarren weggefahren werden. Verkohlte Torsos lassen den Menschen kaum noch erahnen. Auf einer Tafel ist zu lesen, dass die SS ganz gezielt darauf geachtet hat, dass keiner mehr identifiziert werden konnte. Den Angehörigen sollte die Trauerarbeit unmöglich gemacht werden. Die Leichenschändung wurde als letzte Maßnahme eingesetzt, um den „Feind“ zu demoralisieren.

Oradour war im Krieg ein von den Deutschen kaum beachtetes Dorf. Es befand sich in der „freien Zone“, im südlichen Teil Frankreichs und wurde damit von der Vichy-Regierung kontrolliert, die mit den deutschen Besatzern zusammenarbeitete.
„Den Krieg habe ich, wie viele Franzosen, aus der Ferne erlebt. Ich mochte weder den Krieg noch die Deutschen, die ich aber auch nicht kannte: Ich sah sie zum ersten Mal 1942“, schreibt Robert Hébras in seinem Buch. Er war einer der Überlebenden des Massakers vom 10. Juni 1944, jenem Tag, an dem sein „wunderschönes und friedliches Dorf“, wie er es beschreibt, zur Hölle wurde. An diesem Tag drangen Soldaten der 2. SS-Panzerdivision “Das Reich” in das Dorf ein. Keiner der Bewohner war zunächst beunruhigt, im Gegenteil, alle warteten darauf, dass der Krieg endlich zu Ende ist. Vorgegaukelt wurde ihnen, dass die Häuser nach Waffen durchsucht werden würden. Nachdem es in Oradour aber noch nie Widerstandskämpfer gegeben hatte, war die Angst vor den Soldaten nicht besonders groß. Bewusst und zu spät war es erst, als die Männer in Scheunen zusammengetrieben und erschossen wurden. Frauen und Kinder brachten die Soldaten in die Kirche und verbrannten sie bei lebendigem Leib. Insgesamt wurden 643 Menschen, darunter etwa 200 Kinder, ermordet.

Das Massaker von Oradour-sur-Glane war eine rücksichtslose und brutal durchgeführte Vergeltungsmaßnahme der deutschen SS-Truppen. Es wurde als Reaktion auf den Widerstand der französischen Résistance gegen die deutsche Besatzung durchgeführt.

Hersbruck auf dem Weg der Deutsch-Französischen Freundschaft
Nach fast 80 Jahren hat sich Oradour-sur-Glane auf den Weg gemacht und die Hand der Versöhnung ausgestreckt. Vermittelt über den mittelfränkischen Bezirkstagspräsidenten Armin Kroder und seinen ehemaligen Vizepräsidenten, Fritz Körber, sind sich Oradour und Hersbruck bereits näher gekommen. Nun hat eine Hersbrucker Delegation aus Stadträtinnen und Stadräten und Mitarbeiterinnen der Verwaltung den französischen Ort besucht. Herzlich aufgenommen wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Phillipe Lacroix, dem Bürgermeister der 2.500 Einwohner zählenden Gemeinde. Lacroix ist ein agiler und aktiver Mensch, der gefühlt immer unter Strom steht. Wenn man ihn beobachtet, dann ist er ständig am Organisieren, am Telefonieren, umarmt zwischendurch noch Passanten und erkundigt sich, wie’s denn so geht.
„Wir wollten euch von allem etwas zeigen“, erklärt er das Programm, das er sich mit seinen Mitarbeitern für die deutschen Gäste ausgedacht hat. Sport, Natur, Kultur und natürlich Oradours Geschichte sollten in den vier Tagen enthalten sein. Um „gute Schuhe“ hatte er seine Gäste schon im Vorfeld gebeten.

Auf den Spuren der Heiligen
Schon am ersten Abend entführten die Gastgeber die Hersbrucker Gruppe zu den nur alle sieben Jahre stattfindenden „Ostensions de Javerdat“. Die Ostentationen im Limousin sind Zeremonien und Prozessionen, die zur Ausstellung und Verehrung von Reliquien katholischer Heiliger veranstaltet werden, die in den Kirchen aufbewahrt werden. Die von den örtlichen Städten und Dörfern weitgehend unterstützten Feierlichkeiten ziehen eine große Anzahl von Menschen an, die sich versammeln, um die Reliquienschreine in Begleitung von Fahnen, Bannern, Dekorationen und kostümierten historischen Figuren durch die Städte ziehen zu sehen.

Auf den Spuren der Natur
Mit großem Tatendrang und seinem Hund an der Leine hat Phillipe Lacroix die Hersbrucker mit auf einen ganz „kleinen“ 8 km langen Spaziergang mitgenommen. Die Landschaft um Oradour besteht aus sanften Hügeln, bewaldeten Gebieten, Feldern und Flussläufen. In der Nähe des Dorfes fließt die Glane, die sich malerisch durch das Land schlängelt. „Ein bisschen wie zu Hause“, meinten ein paar der Hersbrucker Stadträte.

Limoges, Zentrum des Widerstands
Nicht weniger interessant war die Besichtigung von Limoges, der Hauptstadt des Départements Haute-Vienne, zu dem Oradour gehört. Die Stadt hat ca. 130.000 Einwohner und ist ca. 20 km von Oradour entfernt. Dort befindet sich auch die Präfektur als zentrale Verwaltungsbehörde des Départements. Um die Geschichte des Limousins noch besser zu verstehen, besuchten die Hersbrucker das Musée de la résistance, das Museum der Resistance, das der Geschichte des französischen Widerstands während des Zweiten Weltkriegs gewidmet ist. Die Gegend war ein wichtiger Rückzugsort für Widerstandkämpfer, die in den Wäldern und Bergen Zuflucht fanden. Viele Bürger engagierten sich aktiv im Kampf gegen die Besatzungstruppen.

Empfangen wurde die Delegation in Limoges vom stellvertretenden Bürgermeister der Stadt, Guillaume Guerin, der gleichzeitig der Präsident der Metropolregion Limoges ist. Auf einen Sprung und nur wegen den Gästen aus Hersbruck war auch Pascal Coste, der Präsident des Nachbar-Départements Corrèze vorbeigekommen. So hatte die Hersbrucker Delegation viel Gelegenheit, sich zu informieren, über Verwaltungsabläufe und Organisationsstrukturen, über Gleiches und Verschiedenes. Und bei allem ist man sich näher gekommen, obwohl die Sprachbarriere ein einschneidender Punkt war. Manch einer hatte ein paar Restvokabeln aus der Schulzeit im Kopf, ein anderer versuchte es vergeblich mit Englisch. Damit es nicht nur bei „mit Händen und Füßen“ blieb, haben sich die beiden Übersetzerinnen Beate Raum von der Hersbrucker Verwaltung und Marine Espinat, Deutschlehrerin aus Oradour, unermüdlich um Abhilfe bemüht.

Agathe, die Hüterin von Robert Hébras Geschichte
Agathe Hébras, die Enkelin von Robert Hébras ist eine junge, dynamische Frau, der man schnell abnimmt, dass sie das Erbe ihres Großvaters weitergeben will und dafür auch alles tut. Sie erzählt, wie positiv sie es findet, dass sie bei der jungen Generation viel Gehör findet, einfach weil sie vom Alter her noch dazu gehört und die Sprache von Jugendlichen spricht.
Sie lässt es sich nicht nehmen, die Hersbrucker Gruppe durch die Ruinen des ehemaligen Dorfes „Orador de Glana“, wie es im okzitanischen Dialekt heißt, zu führen. Beginnen tut sie am ehemaligen Elternhaus ihres Großvaters, der am Nachmittag des 10. Juni 1944 eigentlich nur zufällig im Ort war, weil er von seinem Arbeitgeber frei bekommen hatte. Sie hat die Geschichte vielfach erzählt, die Führung schon oft gemacht und trotzdem merkt man ihr die Betroffenheit an, die dieser Ort erzeugt.
Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Hersbrucker Delegation ging es nicht anders. Jedem stand ins Gesicht geschrieben, wie sehr Geschichte berührt, wenn sie einem so nahe kommt.

Erster Bürgermeister Robert Ilg und Zweiter Bürgermeister Peter Uschalt haben für die Stadt Hersbruck Blumen am Mahnmal im Centre de la Memoire und am Grab von Robert Hébras niedergelegt.

Heiterer ging’s dann zu, als sich insgesamt drei Delegationen –zwei weitere aus Österreich und Frankreich waren an diesem Tag zu Besuch- im „Hôtel de ville“, dem Rathaus trafen und sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen durften. Teilgenommen haben dabei auch Vertreter des „Märtyrer“-Vereins, der Vereinigung der Opferfamilien, allen voran der Vorsitzende, Benoît Sadry.

Der Empfang in Oradour, dem mancher Teilnehmer vielleicht mit gemischten Gefühlen entgegen gesehen hat, war überaus freundlich und herzlich. In einem Dorf mit dieser Geschichte wäre man nicht verwundert, wenn noch Resentiments gegenüber den Deutschen beständen und das tun sie sicher auch. Wie könnte es anders sein. Die Hersbrucker Gruppe durfte auf jeden Fall an einem sehr interessanten Programm teilnehmen, das Geschehnisse aufgezeigt aber auch größere Zusammenhänge erklärt hat.
„Wir werden weiterarbeiten an unserer Freundschaft und geben uns dazu die Zeit, die es braucht“, meint Erster Bürgermeister Robert Ilg am Ende des Besuchs zu seinem französischen Kollegen.

Einen sehr netten Abschied hatten die Hersbrucker in der Kletterhalle von Oradour. Damit erfüllte Phillipe Lacroix seine Ankündigung, dass er von allem etwas zeigen möchte. Beim Anblick kletternder Kinder und Erwachsener ging der Blick gleich zum Pendant nach Hersbruck. Ein guter Weg freundschaftlicher Begegnungen wäre sicherlich der Sport. Darüber waren sich die beiden Bürgermeister einig.

Einige Impressionen von der Reise:

 

Oradour-sur-Glane Besuch 2023