Oradour-sur-Glane: Ein Workshop von Dr. Andrea Erkenbrecher mit französischen und deutschen Schülern
Eine nach eigenem Bekunden „erleuchtende“ Woche erlebten 27 Schüler und Schülerinnen des Lycée Paul Eluard aus Saint-Junien bei ihrer Austauschwoche am PPG. Mit ihren Gastgebern aus der elften Jahrgangsstufe des Hersbrucker Gymnasiums beschäftigten sie sich intensiv mit den Menschenrechten und der Erinnerung an die Gräuel des Zweiten Weltkriegs in ihren beiden Ländern.
Ein Schwerpunkt dabei war das Massaker in Oradour-sur-Glane. In dem nahe Saint-Junien gelegenen Ort ermordete eine Einheit der Waffen-SS am 10. Juni 1944 beim schlimmsten Kriegsverbrechen deutscher Truppen an der Westfront mindestens 643 Männer, Frauen und Kinder, die sie lebendig in einer Kirche verbrannten oder erschossen.
Bei einem Workshop mit der Historikerin Andrea Erkenbrecher, einer der besten Kennerinnen der abscheulichen Geschehnisse und ihrer Folgen, tauchten die 16- bis 18-jährigen Schüler einen Vormittag lang tief in das Thema ein. Obwohl sie schon einiges über das Massaker wussten, stießen sie in dem von Andrea Erkenbrecher mitgebrachten Material immer wieder auf völlig neue Details – zu den wenigen Überlebenden, zur mangelhaften juristischen Aufarbeitung oder zum Bordeaux-Prozess von 1953. Welches Thema sie bearbeiten wollten, durften sich die Arbeitsgruppen selbst aussuchen.
Am Ende erarbeiteten die Schüler einen Zeitstrahl, auf dem sie die wichtigsten Momente des Massakers und dessen Nachhalls festhielten. Zwei Fragen tauchten dabei immer wieder auf: „Warum wurden die Täter für die entsetzlichen Morde nicht bestraft?“ Und was bedeutete dieses Unterbleiben für die Überlebenden und die Familien der Opfer?
Die beiden Fragen präsentierten die Schüler zum Abschluss im Gluck-Saal des Nürnberger Opernhauses, ebenso ihre Eindrücke von den Besuchen des Reichsparteitagsgeländes und des Sitzungssaales 600 im Justizpalast, dem Schauplatz der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Aus dem, was sie dort von Astrid Betz (Dokuzentrum) und Sophia Brostean-Kaiser (Memoriam Nürnberger Prozesse) hörten, machten sie Lieder und kurze Vorträge, die sie abwechselnd auf Deutsch und Französisch vortrugen – angeleitet von Theaterpädagoginnen des Staatstheaters unter Leitung von Anja Sparberg sowie den Musikpädagoginnen Irina Roosz und Delia Evers.
Den rund 40 Gästen, darunter Bürgermeister Robert Ilg, Landrat Armin Kroder, der frühere Bezirkstagsvizepräsident Fritz Körber sowie Vertreter von Schulleitung, Elternbeirat und Förderverein des PPG, gingen die Texte direkt „unter die Haut“, wie eine Zuhörerin berichtete. Schon zu Beginn, als die Schüler mit der in Nürnberg lebenden Französin Dany Tollemer eine Hymne an die deutsch-französische Freundschaft sangen, war manch einer im Publikum zu Tränen gerührt. Was die von Barbara Raub und ihren französischen Lehrerkollegen Hugo Remark und Jean-Christoph Masmonteil betreuten Schüler in wenigen Tage auf die Beine gestellt hatten, sei „sehr, sehr beeindruckend“, sagte Robert Ilg.
Dazu zählte auch ein klares Bekenntnis der jungen Leute: Sie seien fast alle dafür, NS-Bauten wie das Reichsparteitagsgelände mit Zeppelintribüne und Kongresshalle oder andere Mahnmale zu erhalten, um so „den Wahnsinn dieser Zeit mit eigenen Augen sehen und verstehen“ zu können. Speziell das Zeppelinfeld könne – und solle – aber auch für kulturelle Veranstaltung genutzt werden, zum Beispiel für Konzerte.