Außergewöhnliches Erinnerungsprojekt
Am Diakoneo-Gelände beim Strudelbad ist ein neuer KZ-Gedenkort entstanden: Auf dem Bauzaun rund um das Areal für das künftige Senioren- und Pflegeheim klären großformatige Banner über das ehemalige Außenlager des KZ Flossenbürg, die Leiden der dort gequälten Häftlinge und die heutige sowie die geplante Nutzung des Areals auf.
Entstanden ist das Projekt aus einer Zusammenarbeit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, der Stadt Hersbruck, des Bauherren Diakoneo und des Vereins Dokumentationsstätte KZ Hersbruck. „Gerade in diesem besonderen Jahr, in dem sich die Befreiung vom NS-Terrorregime und das Ende des brutalen Arbeitslagers zum 80. Mal jährt, ist es uns besonders wichtig, auch an dieser Stelle angemessen und würdig an dieses dunkelste Kapitel unserer Stadtgeschichte zu erinnern“, sagt Bürgermeister Robert Ilg.
Den Anstoß zu dem außergewöhnlichen Gedenk-Projekt gab Julia Oschmann, die 2. Vorsitzende des KZ-Dokuvereins. Bei Führungen seien wiederholt kritische Bemerkungen zu hören gewesen zum Zustand des Areals, auf dem Diakoneo ein modernes Seniorenwohnheim errichten will. Der Rückbau des Tennisgeländes des TC Hersbruck hinterließ dort eine wenig ansehnliche Brachfläche. Bis zum Beginn der Bauarbeiten sollen nun knapp 30 großformatige, von der Gedenkstätte in Flossenbürg gestaltete Banner auf diesen besonderen Ort aufmerksam machen, über seine Geschichte informieren und zum Nachdenken anregen. Finanziert wurde das Projekt vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, dem Bayerischen Kultusministerium und der Stadt Hersbruck.
Text- und Bildtafeln zu Geschichte und Zukunft
Auf dem Absperrzaun rund um das Baugelände informieren Text- und Bildtafeln über die Geschichte des Außenlagers, über die Nutzung nach 1945 und die Gedenkarbeit des 1999 gegründeten KZ-Dokuvereins. Als Bauherr geht Diakoneo auf die dunklen Kapitel in seiner Geschichte und die daraus erwachsene Verantwortung ein: „Es ist uns wichtig, dass an der Stelle, an der wir ein neues Alten- und Pflegeheim errichten wollen, an die Geschichte dieses Ortes erinnert wird“, sagt Manuela Füller, Vorständin der Dienste für Senioren. „Viele Häftlinge haben die menschenverachtenden Bedingungen im Lager nicht überlebt. An dieses Leid erinnern wir, weil wir das Leben lieben. Menschlichkeit ist nicht verhandelbar.“
Auf weiteren Tafeln erzählen Samuel Brückner, Kazimierz Frączak, Ljubiša Letić, Harry Zansberg und Shlomo Lavi in kurzen Zitaten von diesem grausamen Lageralltag, den Schikanen des Wachpersonals oder der mörderischen Arbeit in den Doggerstollen. Die ausdrucksvollen Porträts der KZ-Überlebenden hat die renommierten Fotografin Renate Niebler aus München aufgenommen. Sie setzte damit 2009 und 2010 für eine Ausstellung in der Gedenkstätte ihnen und 49 weiteren ehemaligen Häftlingen des Lagerkomplexes Flossenbürg ein fotografisches Denkmal.
Einst der zentrale Appellplatz
Dazu kommen eine grafische Darstellung des ehemaligen Außenlagers und der heutigen Bebauung sowie verschiedene Zoom-Stufen eines Luftbilds der Alliierten. Zwischen den einzelnen Bannern blieben immer wieder Zaunelemente frei – das ist durchaus gewollt: Sie sollen den Blick öffnen auf das Gelände, das zwischen Juli 1944 und April 1945 als Appellplatz diente, auf dem rund 9000 Menschen aus halb Europa tagtäglich den Schikanen des SS-Wachpersonals ausgesetzt waren.
Die Leerstellen sollen aber auch Platz bieten für Projekte, in denen sich Hersbrucker Schüler mit diesem Kapitel der Geschichte ihrer Heimatstadt auseinandersetzen. Das unterstreicht dann noch zusätzlich den bewusst provisorisch gehaltenen Charakter der Zaungestaltung – bis das Gedenken an die Leiden der Häftlinge auf dem Gelände des Senioren- und Pflegeheims dauerhaft verankert wird.